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„Bundesgesundheitspolitik darf Bevölkerung nicht täuschen“ - Wernert schließt sich dringenden Forderungen der Krankenhausgesellschaften an

Landauf landab wiederholen sich die dringenden Appelle der Krankenhausverantwortlichen nach erkennbaren Aktionen des Bundes zur fairen Behandlung der Kliniken. Mit den Auswirkungen der Inflation wurde die Kliniklandschaft allein gelassen: Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) werden deutsche Kliniken durch enorme inflationsbedingte Kostensteigerungen bis Ende des Jahres ein Defizit von rund zehn Milliarden Euro anhäufen.

„Alarmstufe Rot“ heißt es deswegen einmal mehr am bundesweiten Protesttag am 20. September, wenn Klinikverantwortliche und -mitarbeitende öffentlichkeitswirksam von der Bundespolitik einen Ausgleich der extrem gestiegenen Kosten sowie ehrliche Wertschätzung fordern.

Auch Guido Wernert, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft St. Vincenz mbH, schließt sich diesen Forderungen uneingeschränkt an. Im Interview erklärt der Klinikmanager, der für zwei Klinikstandorte und 17 Praxiszentren und mit insgesamt rd. 1.850 Mitarbeitern verantwortlich ist, warum die Flächenversorgung erhalten bleiben muss und warum die geplante Krankenhausreform kein Allheilmittel ist.

„Alarmstufe Rot“ heißt es schon seit Längerem in deutschen Kliniken. Bereits im vergangenen Jahr gab es einen ähnlichen Aktionstag. Hat sich seitdem nichts geändert?

Kurze Antwort: Nein. Seit über zwei Jahren machen wir die Bundespolitik auf die insgesamt angespannte wirtschaftliche Situation in der Krankenhauslandschaft aufmerksam und fordern sie unermüdlich auf, endlich aktiv zu werden.

Zunächst im Kontext der Coronapandemie, während der die Erlöse für die Kliniken massiv gesunken sind bei gleichzeitiger Steigerung der Sachkosten. Dies ging lückenlos in die Auswirkungen der Energiekrise und der historisch hohen Inflation über. Im Gegensatz zu anderen Betrieben können wir hier die stark gestiegenen Kosten nicht eins zu eins an die Kunden, in unserem Fall an die Patienten, weitergeben. Die nächste finanzielle Herausforderung werden im kommenden Jahr die dringend nötigen Tarifsteigerungen sein, die nicht komplett finanziert werden.

Immer wieder haben wir mit Briefen und in Pressemitteilungen an regionale und Bundespolitiker appelliert und die dramatische Situation in der Krankenhauslandschaft erläutert – ohne Erfolg. Und nicht nur das: Aktuell wurde im Entwurf des Bundeshaushaltes 2024 der Bereich Gesundheit um ein Drittel gekürzt. Ursächlich scheint dies auf den Rückgang der COVID-Zahlungen zurückzuführen zu sein. Aus Sicht der Krankenhäuser ist jedoch bemerkenswert, dass das Gesundheitsministerium kein zusätzliches Geld für die Krankenhausreform oder sonstige Unterstützung in den Haushalt einstellt.

Jetzt tritt das ein, wovor wir so lange vehement gewarnt haben: Es schließen immer mehr Kliniken und die Politik tut nichts, um dieses Kliniksterben zu verhindern. Man kann sich also durchaus fragen, ob dies politisch gewollt ist.

„Die Patientenversorgung in Krankenhäusern war in der Bundesrepublik noch nie so bedroht wie heute“, sagt der Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Krankenhausgesellschaft Dr. Gerald Gaß. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Die Maßnahmen des Bundes werden den Bürgern als Qualitätsverbesserung verkauft. Fakt ist jedoch: Wenn politisch jetzt nicht gehandelt wird, erleben wir einen eiskalten Strukturwandel mit Schließungen und folgenschweren Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit. Wir laufen Gefahr, bis die Finanzierungsreform tatsächlich greift, Versorgungslücken in Deutschland zu schaffen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.

Insbesondere die ländlichen Regionen sehe ich hier gefährdet, denn wenn Kliniken in diesen Regionen schließen, werden es die dort ansässigen Praxen noch schwerer haben, einen Nachfolger zu finden. Schließlich orientieren sich Praxen oftmals an der Sicherheit und Nähe von Krankenhäusern. Weniger Kliniken führen dann auch zwangsläufig zu weniger Haus- und Facharztpraxen und somit zu einer großflächig durchlöcherten Versorgungslandkarte - eine gefährliche Entwicklung für unsere immer älter werdende Gesellschaft.

Teils wird argumentiert, dass Klinikschließungen positive Effekte auf den Fachkräftemangel haben könnten. Was sagen Sie dazu?

Das Gegenteil wird der Fall sein, zumindest in ländlichen Regionen: Kommt es hier zu Klinikschließungen, müssen einerseits die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter längere Arbeitswege in Kauf nehmen – eine zusätzliche Belastung, die für viele den Job noch unattraktiver machen dürfte.

Andererseits wird dies dramatische Auswirkungen auf die Ausbildung in Gesundheitsfachberufen haben: Ohne Krankenhäuser und Praxen vor Ort können dringend benötigte Fachkräfte nicht mehr wohnortnah ausgebildet werden. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Mehrzahl der jungen Menschen auf dem Land dann zwangsläufig in anderen Branchen und Berufen ausbilden lassen, statt weite Wege für die Ausbildung auf sich zu nehmen.

Wer soll dann die zunehmende Anzahl an älteren Menschen versorgen? Offensichtlich kein Problem für die Bundespolitik…

Herr Wernert, den Krankenhäusern geht es seit vielen Jahren schlecht. Die rasante Zuspitzung, die wir momentan sehen, ist dennoch erschreckend. Wie kann die verbessert werden? Und welche Rolle spielt dabei die geplante Krankenhausreform?

Was deutsche Krankenhäuser ganz aktuell dringend brauchen, ist eine Finanzierung ihrer Kosten, so z. B. durch einen Inflationsausgleich und die volle Refinanzierung der Tarifsteigerungen. Nur so können wir die unkalkulierbare Abwärtsspirale in der deutschen Kliniklandschaft stoppen. Die Preise verändern sich aktuell so schnell, dass die Anpassung der Basisfallwerte mit erheblicher zeitlicher Verzögerung, wie es derzeit der Fall ist, nicht mehr ausreichend ist. Deutsche Kliniken brauchen jetzt sofort Unterstützung!

Die Reform an sich hat aktuell noch viel zu viele Lücken und offene Fragen: Wir Krankenhausverantwortliche brauchen Planungssicherheit und müssen daher so schnell wie möglich mehr über die Eckpunkte der anstehenden Krankenhausreform erfahren. Erst wenn wir wissen, welche abgestimmten Versorgungsmodelle entstehen sollen, können wir uns darauf strategisch vorbereiten. Gesundheitsversorgung braucht "Fürsorge" des Bundes und keine Unsicherheit!